Die Entschlüsselung der Mayaschrift und die Übersetzungen der noch erhaltenen Maya-Texte sind ein Beitrag zur Rekonstruktion der Maya-Kultur. Genauso ist die Erfassung und Dokumentation von Maya Architektur ein Versuch, der indigenen Bevölkerung heute nach den gewaltigen Kulturverlusten vor 500 Jahren durch die Rekonstruktionen ihrer faszinierenden Architektur einen weiteren wichtigen Teil ihrer Kultur zurückzugeben.
Der Palast von Santa Rosa Xtampak in Campeche, Mexiko, ist eines der eindrucksvollsten Bauwerke der Maya-Architektur. Er steht nahe der höchsten Erhebung der Maya Stadtanlage aus den 8. Jh. n. Chr..
1989 und 1992 vermassen Erwin Heine und Andreas Reiter von der TU Graz auch mit Unterstützung des FWF* den Gebäudekomplex. Das Resultat waren 3 Höhenschichtenpläne der 3 Stockwerke, 4 Ansichten, eine große Zahl an Schnitten und ein dreidimensionales digitales Modell des gesamten Bauwerks. Die Arbeit inkludierte die zwei einzigartigen Treppenhäuser des Palastes. 1997 erhielt Heine dafür den Dr.-techn.. Seine Arbeit ist wohl die früheste 3-D Dokumentation in der Maya-Architektur.
1998, 1999 und 2001 führte der Antragsteller umfangreiche Kontrollmessungen und Vermessungen der kleinen Architekturdetails durch. Auf Basis der Geodätischen Arbeiten von Heine und Reiter entstand so ein Planwerk von 70 detaillierten maßstäblichen Zeichnungen dieses Palastes. Es zeigt das technische Können, die differenzierte Planung und das harmonische Design der Architektur der damaligen Maya. Es stellte sich heraus, dass der Palast mit seinen fast 50 Räumen viele unterschiedlich große Wohneinheiten hat, die mit einer Anzahl von Tempelpyramiden kombiniert wurden.
Im Palast wohnten offenbar die einflussreichsten Familien der einstigen Stadt. Der Komplex folgte einem generellen Planungskonzept, ließ jedoch auch Freiheiten zur individuellen Gestaltung im Detail. Die Gestaltung vereint die drei Hauptstilrichtungen der Region. Farb- bzw. Bemalungsreste in sehr vielen Räumen lassen vermuten, dass der gesamte Palast innen bemalt war. Kragsteine außen im Gewölbebereich und Funde von Stuckresten legen auch einen aufwändigen Figurenschmuck an den Fassaden nahe.
Die einzige Erschließung der Obergeschosse des Palastes sind zwei Treppenhäuser, die nach außen geschickt durch das Vortäuschen von Wohnräumen, mit zu steilen Scheintreppen und kleinen Scheintempeln kaschiert wurden. Zur Bestimmung der Funktionen der Räume waren die kleinen Details wie Seilhalter, Gewölbebalken, Schlafbänke und andere Architekturelemente starke Indizien. Reliefs aus früheren Bauten wurden in Paneelen offensichtlich intendiert falsch zusammengesetzt – das entspricht einer bei den Maya entwickelten speziellen Erinnerungskultur.
Statische Probleme mit dem Untergrund und dem hohen Gewicht des Palastes erforderten Stabilisierungsmassnahmen. Aus diesen Gründen wurde auch der urspünglich für den Palast geplante Dachkamm nicht realisiert.
Städtebaulich definiert der Palast den Großteil der Westseite der Plaza del Palacio. In einem größeren Kontext rahmen der Palast und die Bauten 2 und 26, die drei höchsten Bauwerke auf der Spitze des Hügel von Santa Rosa Xtampak, eine größere Vier-Plaza Zone – die Plaza del Palacio, die Plaza Central, die Plaza del Cuartel und die Plaza Oriental.
Hasso Hohmann